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Gespräch

Piggeldy und Frederick

Piggeldy wollte wissen, wieso Schweine laufen müssen.

„Jetzt sind wir so viel gelaufen und doch immer nach Hause gekommen. Warum machen wir das?“, fragte Piggeldy seinen großen Bruder Frederick.
Frederick atmete tief durch. Er wusste, dass Piggeldy gern etwas anderes gehört hätte, doch er fühlte sich der Wahrheit verpflichtet.
„Wir laufen so lange, Piggeldy, weil uns das stark und muskulös macht.“, sagte Frederick zu Piggeldy.

„Aber warum müssen wir denn stark und muskulös sein?“, sagte Piggeldy zu Frederick.
Frederick schluckte. Er überlegte, wie er die richtigen Worte für das finden sollte, was er zu sagen hatte. Gerade als er beginnen wollte, zu sprechen, wurden sie von den rasch näherkommenden Schritten eines Mannes unterbrochen. Der Mann packte Frederick an den Hufen und zog ihn aus dem Stall. Frederick schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf und röchelte.

„Ah, ich denke, ich verstehe nun, Frederick. Wir müssen stark und muskulös werden, um uns gegen diesen Mann zur Wehr zu setzen.“, sagte Piggeldy zu Frederick.
Frederick wollte widersprechen, doch blieb stumm. Er schaute Piggeldy ein letztes Mal in die Augen und verschwand.

Die Erstaunlichkeit unseres Seins

2 kommt von der Toilette zurück und deutet Richtung Morgengrauen.

1: „Ist das nicht eine zutiefst verstörende Vorstellung, dass Menschen auf Toilette gehen? In dem einen Moment redest du noch zivilisiert mit ihnen und dann gehen sie einen einen Raum 5 Meter weiter, nur getrennt von einer dünnen Tür, ziehen ihre Hose und Unterhose aus und lassen alles aus dem Körper fließen, was für den Körper keinen Wert mehr hat. Dann nehmen sie ein Stück Papier, reiben das ein paar mal hin und her, um Überreste dieser Aktion zu beseitigen, nur um dann zu einer anderen Schüssel aus Porzellan zu gehen und Wasser aus einem Metalhahn über ihre Hände fließen zu lassen. Sobald die Hände wieder einigermaßen getrocknet sind, öffnen sie die Tür und alle tun, als wäre nichts passiert.“

2 nickt langsam.

1: „Klar, wir sind daran ja gewöhnt! Aber stell dir mal vor, man hat Amnesie und jemand erklärt dir mit 30 Jahren das erste Mal, dass das der normale Umgang ist. Ich meine, es ist ja auch irgendwie etwas zutiefst natürliches und früher hat man ja sicher nur 5 Meter neben den Höhleneingang gekotet. Aber irgendwie schon schräg.“

2: „Ja, stimmt schon. Denk auch mal an Schlaf: man liegt für mehrere Stunden still und verliert einfach das Bewusstsein. Oder Küssen und Sex. Wenn man es so sieht, ist das alles ziemlich komisch. Kein Wunder, dass Kinder küssen eklig finden.“

1: „Allein Fernsehschauen: Leute setzen sich hin und schauen ein paar Stunden in eine Richtung auf etwas, das gar nicht wirklich existiert, sondern nur dafür gemacht ist, uns zu beschäftigen. Arbeit ist auch so ein Konzept, das eigentlich an Absurdität nicht zu überbieten ist; vor allem Büroarbeit. Man sitzt da und denkt über irgendwelche Sachen nach, die vielleicht irgendjemand anderes, der das aber noch gar nicht weiß, brauchen könnte. Also das ist ja vorausschauend und wichtig, aber irgendwie krass, dass wir als Menschen zu solchen abstrakten Handlungen fähig sind und nicht einfach nur: ‚Hunger => Essen‘; ‚Aua => Doktor‘-Verknüpfungen haben.“

2: „Vielleicht ist das ja auch was uns zum Menschen macht? Dass wir abstrakten Ideen einen Sinn geben können, der uns ermöglicht, nicht nur zu reagieren, sondern absichtsvolle Handlungen zum langfristigen Wohl von uns und anderen zu tätigen?“

1 deutet auf eine Weihnachtskarte.

1: „Überleg mal. Jemand hat dieses Bild erstellt. Das ist ja so fern von dem Darwin’schen Gedanken des „Survival of the fittest“. Ich meine, gut. Das abstrakte Konzept greift natürlich wieder: Soziale Verbindungen. Durch diese Weihnachtskarte werden Verbindungen gestärkt, die sich dann langfristig wieder auszahlen und dafür sorgen, dass weiterhin Projekte und Geld generiert werden, mit dem dann wieder Essen und Kleidung zum Bezirzen des anderen Geschlechts gekauft werden kann, womit man dann wieder bei Lebenserhaltung und -weitergabe als zentrale Lebensmotive und dem ultimativen Sinn des Lebens zurück wäre.“

1 atmet durch.

1: „Aber das der Mensch das begreifen kann! Ich meine, dass da irgendwelche Zellen ohne Bewusstsein in unserem Gehirn sind, die jede für sich nur kleine Funktionen haben, dessen Zusammenspiel dann aber dazu führt, dass wir uns etwas bewusst sind und wir planen. Das bringt doch genau das Organ wieder zum explodieren, das diese Fähigkeiten besitzt. Und dann kommt der Darwin und sagt: „Und jetzt stell dir vor: Das alles ist durch Millionen von Zufällen entstanden. Am Anfang gab es nur diese einzelnen Zellen aber dann ist einfach billiardenfach etwas schief gelaufen und nach genügend ungeplanten Reproduktionen hatten wir dann plötzlich Fische und Reptilien und irgendwann Säugetiere und dann Menschen. Einfach so. Durch Zufälle.“

2 nickt bedächtig.

2: „Das ist wirklich überwältigend. Aber auf der Skala das Universums gilt es vielleicht noch als primitiv, wozu wir in der Lage sind. Wer weiß, was andere Lebewesen für unvorstellbare Fähigkeiten haben. Wir Menschen sind schließlich auch nur auf unsere Dimensionen begrenzt.“

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Das Leben ist nicht fair. Viele Dinge geschehen um dich herum und hin und wieder fühlst du uneträglich deutlich: Das ist Leben ist recht schwer. Vielleicht fragst du dich, was gibt dein Leben dir noch her? Irgendwer muss doch da draußen noch sein. Jemand, der dich rettet. Jemand, der dich sieht. Nur wer?
Tumblr, den 05.02.2016

Du liest die Blogeinträge deiner Freundin, während dir ein Schaudern über den Rücken läuft. Ist sie.. ist sie etwa nicht glücklich? Warum schreibt sie sowas? Was ist los mit ihr? Du dachtest.. du dachtest immer, dass alles gut ist zwischen euch. Dass ihr einander vertraut seid und ihr keine Geheimnisse vor einander habt. Doch jetzt das.

Du suchst die Seite noch einmal nach Alternativerklärungen ab, aber dort oben steht es unmissverständlich. „Hi Lisa, nice to see you again.“ Das ist ihr Blog, das sind ihre Gedanken. Und dabei wolltest du doch nur schauen, ob man deine gelegentlichen Ausflüge auf irgendwelche Porno-Seiten im Browser-Verlauf finden kann. Nicht, dass du dich schämen würdest, sich so ein bisschen gedanklich die Hörner abzustoßen, hätte schließlich noch keiner Beziehung geschadet. Aber nachdem dir dein bester Freund von dem Riesen-Zoff erzählt hat, den er mit seiner Freundin hatte, nur weil sie beim Aufklappen seines Laptops eine geöffnete Schmuddel-Seite gesehen hatte, wolltest du lieber auf Nummer sicher gehen. Das Thema demnächst mal ganz vorsichtig anklingen lassen, vorfühlen. Schließlich hattest du auch im Internet davon gelesen, dass manche Paare sogar gemeinsam Pornos schauen, auch wenn du nicht so recht wusstest, was du davon halten solltest.

Und jetzt das! Das war mal wieder so typisch für dich. Da dachtest du eben noch, eure Beziehung wäre auf dem Level, euch gemeinsam Pornos anzuschauen und jetzt weißt du nicht, ob du in einer Woche überhaupt noch irgendwelche Filme mit ihr schauen würdest. Was solltest du nur tun? Mit ihr reden? Aber wie solltest du es ihr erklären, wie du überhaupt darauf gestoßen bist? Wie geht man mit sowas um?

Du schaust mich erwartungsvoll an. Siehst deine Rettung in mir. Dabei… kennen wir uns gar nicht. Du bist nur so ein betrunkener Typ, der aus Platzmangel neben mir sitzt. Nach der obligatorischen Vorstellungsrunde hattest du mitbekommen, dass ich Psychologie studiere und sofort leuchtende Augen bekommen. „Ah, geil. Ich hab da mal ein Problem, du kennst dich da sicher aus.“

Und jetzt sitzt du da, mit vor Alkohol und Trennungsangst geschwängerten Augen, geröteten Wangen und einem ausströmenden Geruchsgemisch, der so nur in der Kombination von Döner und Bier entsteht. Mit dir wäre ich auch nicht glücklich, denke ich mir und lächele dich nachdenklich an. Soll ich dir einen ernsthaften Rat geben, den du morgen wahrscheinlich schon wieder vergessen hast oder einfach das sagen, was du hören willst, damit du dich besser fühlst?

„Ich würde mir da nicht zu viele Gedanken machen. Viele Leute haben irgendwas, wo sie ihre abtrünnigen Gedanken mal raus lassen können. Männer schauen dann vielleicht Pornos oder fantasieren über die neue Kollegin. Frauen schauen vielleicht eher romantische Komödien oder führen Blogs, auf denen sie ihre wehmütige Seite ein wenig rauslassen können. Ich seh da keine Gefahr für dich, nur eine neue interessante Seite deiner Freundin. Lenk das Thema doch einfach mal beiläufig auf Blogs und vielleicht erzählt sie dir…“

Ich brauche den Satz nicht mehr zu Ende zu bringen, denn du hörst nicht mehr zu. Eigentlich hast du schon umgeschaltet als ich sagte, du sollest dir nicht zu viele Gedanken machen. Du füllst deine Männlichkeit mit einem kräftigen Schluck Bier wieder auf und wendest dich nun deinem anderen Kumpel zu: „Eyy. Der Typ hier meint, alles cool mit Lisa. Ist wohl so ein Psychologen-Ding. Frauen machen das anstatt Pornos zu schauen oder sowas. Haha! Lass mal noch nen Schnaps holen.“

Für dich ist die Welt wieder in Ordnung. Problem vermieden ist gleich Problem gelöst. Bevor ich mich wieder meiner Gruppe zu wende, hole ich jedoch noch einmal kurz mein Handy raus und tippe die tumblr-URL in den Browser. Letzter Eintrag von vor 2h:

„Er ist schon wieder mit seinen Kumpels saufen. Ich wollte doch nur mal wieder einen gemütlichen Abend mit ihm verbringen. Es ist vorbei. Morgen mach ich Schluss.“

Oh. Ich schaue noch einmal rüber zu dir, aber du hast dich nun vollkommen dem Alkohol hingegeben. Na ja, denke ich mir. Wenigstens redet ihr dann morgen mal über eure Beziehung.