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8-7-6

Ich denke, also bin ich dein.
Das könnte dein Motto sein.
Warum lässt du mich nicht rein?
Warum muss ich draußen reim’n?
Sorge für den Ordnungsschein,
Zweifel lässt mich nie allein.
Ich will wirre Worte schrei’n,
das kann doch kein Zufall sein.

Aber ja, was soll denn das?
Du denkst wirklich alles passt?
Du denkst wirklich, du bist krass?
Doch du hast die Chance verpasst.
Mit dem besten Freund verhasst,
weil du wirklich gar nichts raffst.
Ja, da bist du wirklich baff,
hör mir zu und sei auf Zack.

Sei auf Zack und auf der Hut,
denn der steht dir wirklich gut.
Der hält deine Birne warm,
Rumpeln in dein’m Unterdarm.
All das ist dir scheißegal,
angelehnt an ein Regal.
Du trägst deinen blauen Schal,
mit dem Bild von einem Wal.

Seine Auswahl eine Qual,
Kampf durch das Entscheidungstal.
Münzwurf: weder Kopf nach Zahl.
Immerhin: du hast die Wahl.
Hast die Wahl, doch keine Lust,
langsam spürst du diesen Frust.
Lebst als hättest du’s gewusst,
redest nur noch hohlen Stuss.

Das soll ’ne Geschichte sein?
Lass doch bitte jetzt das Reim’n,
Bist nicht besser als der Schein,
denk doch bitte an die Klein’n.
Oma fängt schon an zu wein’n,
wack’lig auf den zarten Bein’n.
Nicht mehr mit sich selbst im Rein’n,
fängt sie langsam an zu schrei’n.

Ein Tag der Idylle

Der Tag begann mit dem Aufgehen der Sonne. So wie immer, eigentlich. Doch trotzdem spürte er, das heute etwas anders war als an den letzten Morgenden, als er den Blick über das Tal vor ihm geworfen hatte. Es war als würde die Ankunft seiner Gattin in 2 Tagen bereits heute seine Schatten voraus werfen.

Peter ließ den Blick über die wiesengrünen Täler und Hügel schweifen, die sich scheinbar bis ins Unendliche vor ihm erstreckten. Er beobachtete, wie in der Ferne ein Vogelpaar ein Tanz aufführte, der sich frei von Beobachtern wähnte. Durch die Entfernung war es Peter kaum möglich, die beiden Tiere auseinanderzuhalten, doch das unbeschwerte Treiben zeichnete ihm ein Lächeln auf die Lippen. Er hob seine Tasse und nahm einen klangvollen Schluck daraus. Etwas, dass er liebte, doch in Anwesenheit anderer Personen zu vermeiden versuchte. Schließlich galt er als Mann von hohem Stand, der entsprechende Manieren aufzuweisen verpflichtet war.

Peter leerte die Tasse in seiner rechten Hand und schritt langsam aus dem Schein der immer wärmer werdenden Sonne zurück. „Auf, auf zum frohen Schaffen“, dachte er sich, als er sich auf dem Weg zur Küche aufmunternd im Spiegel zunickte. Er wollte heute den 2. Satz seines Klavierkonzertes beenden und ahnte, dass es ihm einiges an Mühe kosten würde, dem Klavier wohlklingende Melodien abzutrotzen.

 

Im ungefähr 30 Meilen entfernten Oberschwaibach verließ in etwa zur gleichen Zeit Sophia das Haus. Sie nahm ihrem Pagen die ohnehin nur leicht gepackte Reisetasche ab und eilte damit zu der vor ihrem Haus wartenden Kutsche. „Los jetzt, Andrej. Wir dürfen keine Zeit verlieren!“, rief sie ihn mit einem herzerwärmenden Strahlen entgegen und öffnete dabei zeitgleich die Kutschentür. Andrej brauchte einen Moment, um sich von seiner Perplexität zu lösen und folgte ihr dann unversehens.
„Welcher Teufel hat Sie denn heute gestochen, Frau Lindmann?“, fragte er ein bisschen zu vorlaut und biss sich heimlich auf die Zunge.
„Jeder Tag sollte mit der Freude eines Kindes zu Weihnachten begonnen werden“, entgegnete sie und ließ ihren Blick in die Ferne schweifen. Andrej und Thomas, der Kutschier, warfen sich ob der ungewöhnlichen Euphorie ihrer Chefin einen vielsagenden Blick zu, bevor Thomas die Kutsche mit einem beherzten Zügelschlag in Bewegung setze.

Der Weg führte die Reisegemeinschaft durch verschlafene Dörfer und aufgeweckte Wald-Landschaften. Die Sonne streichelte die im lauen Wind wiegenden Gräser und zeichnete das Bild des ersten Sommertages des Jahres. Selbst die Pferde schienen an diesem Tag frei von Sorgen zu sein.

 

Zurück in ihrem Landhaus hatte sich Peter vor seinem Klavier eingefunden. Er versuchte nun schon seit über drei Stunden die ideale Begleitstimme für sein Stück zu finden, doch irgendwie fühlte sich keine der durch seine Finger erzeugten Tonfolgen richtig für ihn an. Er seufzte und entschied sich, einen kleinen Spaziergang durch das angrenzende Dorf zu machen, um auf neue Gedanken zu kommen. Ausgestattet mit Hut und Wanderstock öffnete er die Vordertür des Hauses und trat in die milde Bergluft. Der Wind umspielte ihn mit den ihm so vertrauten Gerüchen aus seiner Kindheit. Hier an der Schwelle der Tür vermischten sich die Lockstoffe der Frühlingsblüher mit dem Geruch des frisch geschlagenen Holzes des nahegelegen Waldes. Peter ließ sich dazu hinreißen, seine Augen theatralisch zu schließen, um die Wirkung seiner anderen Sinne zu stärken und hörte nun auch den rhythmischen Schnabelschlag eines in der Ferne arbeitenden Spechts. Mit prall gefüllten Lungen öffnete Peter die Augen und schritt dem vor ihm liegenden Weg entschlossen entgegen. Mit einem letzten Blick zurück versicherte er sich, dass er die Tür verschlossen hatte und entschied sich, dem Weg in Richtung der anderen Häuser zu folgen.

Unten im Dorf angekommen, grüßte er freundlich jeden, den er auf der Straße traf. Er mochte zwar nicht jeden persönlich kennen, doch da die meisten der Dorfbewohner bereits hier lebten, als er gerade geboren wurde, wollte er einen unhöflichen Affront vermeiden. Er wusste, dass seiner Mutter die Verbundenheit mit den Dorfbewohnern immer wichtig gewesen war, auch wenn sie ihres Standes wegen Niemandem ein freundliches Wort schuldig waren. Doch genau wie Peter war es auch seiner Mutter unangenehm gewesen, ihrer Stellung wegen hofiert zu werden, was nicht zuletzt der Grund für die große Beliebtheit der Lindmanns war.

„Guten Tag, Herr Lindmann. Was macht die Arbeit?“, riss ihn der Müller aus seinen Gedanken.
„Das Klavier will heute nicht so, wie ich will.“, antwortete Peter. „Und selbst?“
„Bei diesem Wetter geht das Arbeiten fast von alleine.“, lachte er und schulterte einen Getreidesack auf, der beinahe seinen gesamten Oberkörper verdeckte.

Ihr kurzes Gespräch an der Weggabelung hatte weitere Dorfbewohner dazu ermutigt, anzuhalten. Eine ältere Dame mit weißem, schütternen Haar strahlte ihn herzlich an: „Gott schütze Sie, Herr Lindmann. Ich hoffe, Sie erfreuen sich weiterhin bester Gesundheit. Wie geht es Ihrer Frau?“
„Vielen Dank. Gottes Schutz sei auch mit Ihnen. Meine Frau wird in zwei Morgen anreisen. Ich bin voller Hoffnung, dass es ihr weiterhin gut geht.“
Die ältere Dame lächelte sichtbar zufrieden und sprach nun mehr zu sich als zu Peter: „Ja, ja. Die schöne Frau Lindmann. Ihr Fernbleiben macht unseren Musiker ganz traurig.“

Gerade als sich Peter ertappt fühlen wollte, bemerkte er die Unruhe weiter unten im Dorf. Mit einem geschmeidigen Kopfnicken und dem Zurechtrücken seines Hutes deutete er eine stumme Verabschiedung an und nähert sich den langsam lauter werdenden Tumult. Er meinte, ein Pferdeschnauben und die aufgeregte Stimme ihres Kutschiers Thomas ausmachen zu können, was ihm die für ihn typischen Sorgenfalten auf die Stirn trieb.

Als er wenig später um die nächste Wegbiegung schauen konnte, erkannte er sie: die Kutsche ihrer Familie, vor der Thomas wild gestikulierend mit einem Dorfbewohner diskutierte. Noch ehe er ein Wort ihrer Unterhaltung entschlüsseln konnte, fiel seine Aufmerksamkeit auf die sich langsam öffnende Kutschtür. Mit dem rechten Fuß voraustastend verließ Sophia vorsichtig die Kutsche und blickte dabei besonnen über die sich ihr bietende Szene. Ihr blaues Kleid wiegte sich ruhig im Wind, doch Peters Blick verharrte allein auf den Haaren seiner Frau. Die zu einem losen Dutt gesteckten Strähnen waren so zersaut, wie sie es immer waren, wenn Sophia geschlafen hatte. Peter liebte nichts mehr als diesen Anblick früh am Morgen.

„Sophia!“, rief er und rannte auf sie zu.
„Peter?“, fragte Sophia ins Ungewissene und suchte die Umgebung vor sich ab.

Als sich ihre Blicke trafen, hatte Peter sie fast erreicht und sie fielen sich in die Arme.
„Welch Freude, dich zu sehen, liebste Sophia. Doch sag, was treibt dich heute schon zu mir? Deinem Brief entnahm ich, dass deine Ankunft erst am Mittwoch geplant sei. Was ist der Grund für die Änderung deiner Reisepläne? Es ist doch hoffentlich nichts passiert?“
Sophia lächelte und strich Peter eine Strähne aus dem Gesicht.
„Nein. Also doch, aber…“, sie zog ihn in Richtung der Lichtung neben dem Feldweg, um sich der immernoch rege geführten Diskussion etwas zu entziehen.

Noch ehe sie sich hingesetzt hatten, konnte Sophia die Neugikeiten nicht mehr für sich behalten:“Ich bin.. schwanger!“, platzte es aus ihr heraus und große Tränen bahnten sich den Weg über ihre Wange. „Der Arzt hat es bestätigt. Wir kriegen ein Kind, Peter! Ich bin so..“, doch ihre Stimme brach mittem im Satz ab.
Peters sorgenvoller Ausdruck war einem Gesicht vollkommener Entzückung gewichen und er hatte nun Schwierigkeiten, einen klarer Gedanken zu fassen. Seit ihrer Heirat vor nun mehr als 2 Jahren wünschten sich die beiden nichts sehnlicher als ein eigenes Kind. Sie hatten schon allerlei Ärzte konsultiert, die den beiden jedoch stets versicherten, dass mit ihnen körperlich nichts zu beanstanden sei. Nach Monaten voller Hoffnung und Enttäuschungen war das, was Sophia da gerade ausgeprochen hatte, kaum zu glauben.

Da er das Gefühl hatte, seine Empfindungen nicht in Worte fassen zu können, nahm Peter Sophia wortlos in den Arm und strich ihr zärtlich durch das zerzauste Haar. Er spürte Sophias Herzschlag an seinem Körper und schaute gedankenverloren zu den Ausläufern des wenige Meter entfernten Waldstücks. Dort ganz vorne glaubte er die zwei Vögel wiederzuerkennen, dessen Spiel er bereits am Morgen interessiert beobachtet hatte. Nun wurden die Bewegungen jedoch spürbar langsamer. Peter beobachtete, wie sich die beiden Tiere auf einem Ast niederließen und für einen kurzen Moment schien es, als würden sie ihm direkt in die Augen schauen.

Eins

Die Welt verbunden,
getrennt durch Stunden.
Leben, Lachen, Weinen, Tod.
Kleine Freuden, größte Not.

Regeln und Gesetze,
schüren Sorg und böse Hetze.
Ängste zur Kontrolle,
prägen uns’re Rolle.

Doch der Mensch erblüht,
denn das ist sein Wesen.
Er ist stets bemüht,
Wünsche abzulesen.

Herzlichkeit wohin man sieht,
leuchten in den Augen.
Wärme, die man gerne gibt,
Menschlichkeit – mein Glauben.

(01.04.2017, im Atlas-Gebirge zwischen Marrakesch und Ouarzazarte)

Die Kunst einen schlechten Text zu schreiben

man in train

Es war einmal. Im Laufe des Tages, als ich mich fragte, ob es sich lohnt, besonders zu sein. Es war einmal, als ich aus dem Fenster schaute und aus der Verspiegelung las, dass nichts so durchschaubar ist wie Glas. Dennoch spiegeln sich die verzerrten Fratzen der Leute wie kleine Abbilder darauf wieder. Niemand schafft es frei von Zweifeln zu sein. Wenn man müde ist, kann man sich auch selten von der Bettdecke befreien, aber so einfach ist es nun doch wieder nicht.

Kennst du das, wenn man ganz viel will, aber nur ganz wenig kann? Wenn man Ideen in sich trägt, aber sie nicht vollenden kann? Kennst du dieses Gefühl der inneren Zerissenheit, wenn das, was du tust, nicht ausreichend dafür ist, deine eigenen Bedürfnisse zu erfüllen? Warum gibt es keine Wörter für solche Gefühle? Dystiphoria. Legnaphisie. Die Buchstaben wären doch da. Nur der Wille, daraus beschreibende Überbegriffe zu formen, scheint zu fehlen. Ist es so, dass das Leben weniger anstrengend ist, wenn man nicht allem einen Namen gibt? Ist es nicht so, dass einem Worte Halt geben, einem selbst helfen, zu verstehen, was für ein Problem man eigentlich hat?

Wenn der Schreiner um die Ecke kommt, schaut er sie sich dann fachmännisch an?
Wenn der Metzger ein Haar in der Suppe findet, denkt er dann an die Schambehaarung seiner Lieblingskuh?
Wenn der Förster den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht, ist er dann bereit für die Psychiatrie?
Wie ist es um die geistige Verfassungen eines Halsabschneiders bestellt, wenn er realisiert, dass dabei auch der Kopf verloren geht?
Gibt es nicht generell nur sehr wenige Situationen, in denen man mit Steinen werfen sollte?
Wird der Posten für die Schere zwischen Arm und Reich eigentlich vererbt oder gibt es Bewerbungen, bei denen immer eine größere gesucht wird?
Warum gibt es Universitäten, wenn probieren doch so viel besser ist?

Wer kam darauf, dass es keine dummen Fragen gibt?

Manchmal stellt man sich Fragen, die einen plagen. Manchmal gesellt man sich zu Menschen, von denen man weiß, dass sie einem nichts gutes tun. Der Mann mir gegenüber hat gerade an seinem Laptop gerochen und dennoch tue ich so, als wäre nichts außergewöhnliches passiert. Will ich ihn oder mich nicht auffliegen lassen? Vorbeirauschende Bäume geben das Gefühl von Vorankommen, doch die Schweißperlen auf meiner Stirn lassen sich daran nicht stören. Leise kann ich im Hintergrund den Bahnschaffner hören, wie er durch die Musik auf meinen Ohren dringt und das Lied der nächsten Haltestelle zum Besten bringt.  

Ich schaue in die Ferne und frage mich, wie lange wohl die Freude über ein Graffito der eigenen Initialien bestehen bleibt. Die Infantilie pubertierender Erwachsener ist zuweilen interessanter als der von Versagensängsten geschwängerte Auftritt eines Comedians auf einer Bühne. An welchem Punkt beginnt man zu begreifen, dass nicht die Witze sondern seine eigene Figur Anlass zu Gelächter sind? Ist es dann schon zu spät, zu sagen, dass sei so gewollt und eigentlich arbeite man ja als Clown, von daher wäre das schon voll in Ordnung und man sei ja sehr glücklich, dass es so gut funktioniert hat. So zu tun, normaler Comedian zu sein, wäre natürlich Teil des Plans gewesen, ohne den es auf der Meta-Ebene einfach nicht so lustig gewesen wäre. Ach herrje, wo soll uns diese Versagensangst nur hinführen?

Während der Fluss der Gedanken langsam vor sich hinplätschert, wird mir klar, dass es immer die Ausnahmen sind, die unsere Aufmerksamkeit auf uns ziehen. Als Beleg führe ich das süße Gefühl der Euphorie an, das immer dann entsteht, wenn die Antwort auf eine gestellte Frage „ausnahmsweise“ lautet. Wie das kribbelt, wie das Lust macht. 

Ein weiteres Mal lasse ich meinen Blick schweifen und kann mich gegen aufkeimende Fragen nicht wehren. Was bringt Werbung auf Güterwaggongs? Woher kommen eigentlich die ganzen Steine im Gleisbett? Wie viele Menschen kaufen wohl jetzt gerade einen neuen Fernseher? Wie viele schlagen gerade ihr Kind? 

Ich klappe meinen Laptop zu und fasse noch einmal zusammen:
Für manche Fragen ist wohl keine Antwort bestimmt.

You can’t edit a blank page

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Das Leben ist nicht fair. Viele Dinge geschehen um dich herum und hin und wieder fühlst du uneträglich deutlich: Das ist Leben ist recht schwer. Vielleicht fragst du dich, was gibt dein Leben dir noch her? Irgendwer muss doch da draußen noch sein. Jemand, der dich rettet. Jemand, der dich sieht. Nur wer?
Tumblr, den 05.02.2016

Du liest die Blogeinträge deiner Freundin, während dir ein Schaudern über den Rücken läuft. Ist sie.. ist sie etwa nicht glücklich? Warum schreibt sie sowas? Was ist los mit ihr? Du dachtest.. du dachtest immer, dass alles gut ist zwischen euch. Dass ihr einander vertraut seid und ihr keine Geheimnisse vor einander habt. Doch jetzt das.

Du suchst die Seite noch einmal nach Alternativerklärungen ab, aber dort oben steht es unmissverständlich. „Hi Lisa, nice to see you again.“ Das ist ihr Blog, das sind ihre Gedanken. Und dabei wolltest du doch nur schauen, ob man deine gelegentlichen Ausflüge auf irgendwelche Porno-Seiten im Browser-Verlauf finden kann. Nicht, dass du dich schämen würdest, sich so ein bisschen gedanklich die Hörner abzustoßen, hätte schließlich noch keiner Beziehung geschadet. Aber nachdem dir dein bester Freund von dem Riesen-Zoff erzählt hat, den er mit seiner Freundin hatte, nur weil sie beim Aufklappen seines Laptops eine geöffnete Schmuddel-Seite gesehen hatte, wolltest du lieber auf Nummer sicher gehen. Das Thema demnächst mal ganz vorsichtig anklingen lassen, vorfühlen. Schließlich hattest du auch im Internet davon gelesen, dass manche Paare sogar gemeinsam Pornos schauen, auch wenn du nicht so recht wusstest, was du davon halten solltest.

Und jetzt das! Das war mal wieder so typisch für dich. Da dachtest du eben noch, eure Beziehung wäre auf dem Level, euch gemeinsam Pornos anzuschauen und jetzt weißt du nicht, ob du in einer Woche überhaupt noch irgendwelche Filme mit ihr schauen würdest. Was solltest du nur tun? Mit ihr reden? Aber wie solltest du es ihr erklären, wie du überhaupt darauf gestoßen bist? Wie geht man mit sowas um?

Du schaust mich erwartungsvoll an. Siehst deine Rettung in mir. Dabei… kennen wir uns gar nicht. Du bist nur so ein betrunkener Typ, der aus Platzmangel neben mir sitzt. Nach der obligatorischen Vorstellungsrunde hattest du mitbekommen, dass ich Psychologie studiere und sofort leuchtende Augen bekommen. „Ah, geil. Ich hab da mal ein Problem, du kennst dich da sicher aus.“

Und jetzt sitzt du da, mit vor Alkohol und Trennungsangst geschwängerten Augen, geröteten Wangen und einem ausströmenden Geruchsgemisch, der so nur in der Kombination von Döner und Bier entsteht. Mit dir wäre ich auch nicht glücklich, denke ich mir und lächele dich nachdenklich an. Soll ich dir einen ernsthaften Rat geben, den du morgen wahrscheinlich schon wieder vergessen hast oder einfach das sagen, was du hören willst, damit du dich besser fühlst?

„Ich würde mir da nicht zu viele Gedanken machen. Viele Leute haben irgendwas, wo sie ihre abtrünnigen Gedanken mal raus lassen können. Männer schauen dann vielleicht Pornos oder fantasieren über die neue Kollegin. Frauen schauen vielleicht eher romantische Komödien oder führen Blogs, auf denen sie ihre wehmütige Seite ein wenig rauslassen können. Ich seh da keine Gefahr für dich, nur eine neue interessante Seite deiner Freundin. Lenk das Thema doch einfach mal beiläufig auf Blogs und vielleicht erzählt sie dir…“

Ich brauche den Satz nicht mehr zu Ende zu bringen, denn du hörst nicht mehr zu. Eigentlich hast du schon umgeschaltet als ich sagte, du sollest dir nicht zu viele Gedanken machen. Du füllst deine Männlichkeit mit einem kräftigen Schluck Bier wieder auf und wendest dich nun deinem anderen Kumpel zu: „Eyy. Der Typ hier meint, alles cool mit Lisa. Ist wohl so ein Psychologen-Ding. Frauen machen das anstatt Pornos zu schauen oder sowas. Haha! Lass mal noch nen Schnaps holen.“

Für dich ist die Welt wieder in Ordnung. Problem vermieden ist gleich Problem gelöst. Bevor ich mich wieder meiner Gruppe zu wende, hole ich jedoch noch einmal kurz mein Handy raus und tippe die tumblr-URL in den Browser. Letzter Eintrag von vor 2h:

„Er ist schon wieder mit seinen Kumpels saufen. Ich wollte doch nur mal wieder einen gemütlichen Abend mit ihm verbringen. Es ist vorbei. Morgen mach ich Schluss.“

Oh. Ich schaue noch einmal rüber zu dir, aber du hast dich nun vollkommen dem Alkohol hingegeben. Na ja, denke ich mir. Wenigstens redet ihr dann morgen mal über eure Beziehung.